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Interview mit Martina Goernemann

Ab heute bin ich nett zu mir: So wird aus einer Wohnung oder einem Haus ein richtiger Seelenort, ein Tröster und eine sichere Burg

Jeder hat ein Recht auf Krempel. Steile These?

Nach all den Aufräumratgebern und unzähligen Websites, die uns erklären, wie unsere Schubladen zu ordnen sind, stellt sich Martina Goernemann breitbeinig gegen jeden Trend, der Behaglichkeit verbieten will. Die Journalistin und Autorin schreibt Kolumnen, ist beliebter Gast in Podcasts und betreibt den Blog „Raumseele“. Ihre Wohnbücher liefern Inspiration für individuelle Lebensräume, ohne dabei in den Ratgeberton zu verfallen.

Im Interview spricht sie mit uns über ihr neuestes Buch und zaubert aus ihrem Wohnglück-Werkzeugkasten ein paar handfeste Tipps für ein glücklicheres Zuhause.

 

 

 

Frau Goernemann, der Titel Ihres jüngsten Buchs lautet: „Ab heute bin ich nett zu mir. Wie Wohnen dabei hilft“. Was dürfen die Leserinnen und Leser sich davon erwarten?


Martina Goernemann: Kurz und knapp, natürlich nur Gutes! Das Buch soll guttun und vor allen Dingen wirken. Ich will, dass meine Leserinnen und Leser Anregungen bekommen, wie sie sich wohler fühlen, wie sie sich selbst wertschätzen und damit ihr Leben bereichern. Was ich nicht anbiete, sind komplizierte Design- oder starre Einrichtungsregeln — vielmehr finde ich, dass jeder Mensch sein Zuhause zu einem Ort machen sollte, an dem er einfach mal die Seele baumeln lassen kann. Der Titel ist Programm: Mach es dir schön, weil du es dir wert bist!

Wenn unsere Seele ein Zuhause hat, breitet sich Wärme aus — so steht es in Ihrem Buch. Wie wird denn ein Zuhause tatsächlich zum Seelenort?  


Martina Goernemann: Ein ganz wichtiger Grundsatz ist, dass ich mein Zuhause für mich und nicht für andere gestalte. Es geht nicht darum, es der Mutter oder der Schwiegermutter recht zu machen, oder die Nachbarn oder den Chef zu beeindrucken. Folgen Sie Ihrem Herzen, hören Sie auf Ihren Bauch und füllen Sie Ihr Zuhause mit Dingen, die Ihnen guttun! Also, wenn Sie schon immer von einem weißen Sofa geträumt haben, dann holen Sie sich ein weißes Sofa. Auch wenn die Schwiegermutter meint, dass das nicht alltagstauglich ist. Nicht der Preis oder der Klang des Designernamens, nicht der Neidfaktor oder die Abwaschbarkeit sind entscheidend. Wichtig ist, dass wir uns selbst in unserer Einrichtung wiederfinden und am Ende des Tages von den Dingen und Möbeln umgeben sind, die für uns eine Bedeutung haben.
 

In Ihrem Buch erwähnen Sie die Einrichtungsformel 60-30-10. Damit ließe sich laut Interior-Profis in Nullkommanix ein harmonisches Gesamtbild erschaffen. Wie ist Ihre Meinung dazu?


Martina Goernemann: Ganz ehrlich, ich halte davon gar nichts! Und auch nur deswegen erwähne ich besagte Formel in meinem Buch. Sich für das eigene Zuhause so eine Formel aufdrücken zu lassen, ist genau das, was man nicht tun sollte. Es gibt bestimmt tolle Inneneinrichtungsprofis, aber die kennen meine Seele nicht. Seele ist nicht käuflich. Seele muss man machen! Und wenn Sie schon ganz lange Lust haben, eine Wand in einer ganz bestimmten Farbe zu streichen, dann machen Sie das einfach! Lassen Sie sich von niemandem reinquatschen. Es kann nichts passieren! Wenn die Wand Ihnen hinterher doch nicht gefällt, dann streichen Sie sie eben wieder über. Ich habe eine Freundin, in deren Zuhause sieht es aus wie auf einem indischen Gewürzmarkt. Aber es ist stimmig und wunderschön. Und es passt einfach ganz wunderbar zu ihr!

Mut tut also gut! Gibt es für Sie dennoch so etwas wie Interior-Must-haves oder Dekoelemente, die jede Wohnung, jedes Haus haben sollte?


Martina Goernemann: Deko — das ist so so ein Wort, bei dem zucke ich erst mal zusammen! Für mich müssen Dinge einen Sinn haben, denn für sinnentleerte Dinge ist das Leben zu kurz. Bücherstützen halten Bücher, die schöne Schale auf dem Tisch ist für die Äpfel da. Boxen sind toll! Es gibt sie in herrlichen Farben und mit Deckel, sodass ich meinen Krimskrams darin verstauen kann. All das macht Sinn. Genauso wie Erinnerungsstücke, deren Geschichten mit unserem Leben verstrickt sind. Aber unnütze Deko, die nur rumsteht und Platz wegnimmt, die mag ich nicht. Die schönen und nützlichen Dinge müssen auch nicht viel Geld kosten. Auf einem Flohmarkt sind mir mal Retro-Kerzenständer aus Holz in die Hände gefallen. Denen habe ich neue Farbe verpasst, sie in einer Gruppe aufgestellt — sehen super aus! Kaufen, kaufen, kaufen hat wenig damit zu tun, sich selbst zu zeigen, wie lieb man sich hat. Zu Hause geht’s nicht um irgendwelchen Einrichtungschichi, sondern darum, sich selbst ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Stichwort „Loslassen“: Was ist mit den Dingen, die ein Zuhause zum Anti-Wohlfühlraum machen — was darf weg?


Martina Goernemann: Also, wenn es da zum Beispiel diesen riesigen Wohnzimmerschrank gibt, der mal fürchterlich teuer war und deswegen immer wieder mit umziehen musste — oder irgendein anderes Möbelstück, an dem man sich sattgesehen hat —, dann gibt es zwei Möglichkeiten: ab damit auf eBay Kleinanzeigen oder einen neuen Anstrich! Viele Dinge lassen sich ganz toll mit Farbe umwandeln. Nur trauen sich Menschen oft nicht, diese Veränderung zu vollziehen. Aber lassen Sie sich bitte nicht tagtäglich die Laune von einem Möbel verderben, das nicht mehr zu Ihrem Leben passt. Es muss ja nicht auf den Müll wandern. Irgendwo findet sich jemand, der genau danach sucht. Dazu fällt mir eine nette Geschichte ein — erst kürzlich bin ich einem Auto hinterhergefahren, auf dessen Ladefläche eine kleine Kommode mit ganz vielen Schubladen und verschiedenen Knäufen befestigt war. Ich habe mich sofort in das Möbel verliebt! Als der Fahrer vor mir in Richtung Wertstoffhof abgebogen ist, war mir klar, was damit passieren sollte. Ich habe den Wagen kurzerhand überholt, gewunken — der Mann hat angehalten. Nach einem kurzen Plausch hat er sich riesig gefreut, dass er mir die Kommode überlassen konnte. Sie hat einen weißen Anstrich bekommen und jetzt einen Platz bei mir zu Hause.

 
Das ist die perfekte Überleitung zur nächsten Frage, denn wir werfen ja Dinge oftmals gewohnheitsmäßig weg. Welche Rolle spielt Re- und Upcycling im Wohnkontext für Sie?


Martina Goernemann: Dingen neues Leben einzuhauchen, macht Spaß. Wenn wir sie mit ein paar pfiffigen Ideen vor der Tonne retten, fühlt sich das an wie ein kleiner Sieg. Ich persönlich mag alte Möbel, die eine Geschichte haben. Zudem gibt es eine Menge Alltagsgegenstände, aus denen man etwas zaubern kann. Viele leckere Sachen für die Gastronomie sind beispielsweise in schönen, riesigen Dosen verpackt. Tomaten, Gurken, Kichererbsen, aber wenn keiner danach fragt, dann landen diese herrlichen Blechbüchsen im Müll. Nicht bei mir! Mit etwas Farbe werden die Dosen im Handumdrehen zu hübschen und praktischen Hinguckern im Haus. Oder zu wunderbaren Geschenken. Eine Freundin bewahrt darin im Wohnzimmer ihre Strickwolle auf, eine andere lässt Potpourris daraus duften.

 
In Ihrem Buch finden sich viele kleine, charmante Weisheiten, wie zum Beispiel diese: „Stehen bleiben und unserem Herzen die Zeit geben, in die Hände zu klatschen.“ Haben Sie ein persönliches Lieblingsmantra, das Sie mit uns teilen würden?


Martina Goernemann: Einer der klügsten Sätze, die ich je geschrieben habe, lautet: Wenn die Seele quietscht, muss man die Zähne schonen. Auch ich halte mich eisern an diese Empfehlung. Die verschiedenen Sätze fassen eigentlich in Kürze das zusammen, was wir brauchen, um wieder nah an uns heranzurücken. Ich persönlich habe aber kein Lieblingsmantra im klassischen Sinne. Wenn ich aus etwas Kraft oder mentale Stärke schöpfe, dann ist es Dankbarkeit. Das ist eine Lehre, die ich schon vor langer Zeit gezogen habe. Wenn ich sauer bin, dann stelle ich fest, dass es immer noch so viele Dinge gibt, für die ich dankbar sein kann. Selbst, wenn mal etwas richtig schiefgelaufen ist. In diesem Sinne lasse ich es kommen, wie es kommt, und bin dankbar für das Gute, mit dem ich täglich beschenkt werde.

 
Sie würdigen in Ihrem Buch auch ein ganz besonderes Gericht — die Sofasuppe. Was hat es mit der auf sich?


Martina Goernemann: Bestimmt hat jeder schon mal Sofasuppe gelöffelt. Wenn die Seele dann nämlich mal wirklich quietscht, dann tut es gut, eine Schüssel mit dicker, warmer Suppe vor sich zu haben. So dick, dass der Löffel darin stecken bleibt. Kartoffelpüree, Erbspüree, Möhrenpüree, Blumenkohlstampf – geht alles. Hauptsache, ohne Stückchen. Und dann damit ab aufs Sofa und Füße hoch. Die breiartige Konsistenz scheint uns emotional in frühe Kindheitstage zu katapultieren und unserer Seele zu melden: Es gibt Essen, und die anderen kümmern sich um den Rest. Funktioniert tatsächlich immer!

 

Martina Goernemanns Rezept für schnelle Sofasuppe

Eine große Dose Erbsen öffnen und abgießen. Dabei die Flüssigkeit auffangen. Einen Stich Butter in einem Topf zerlassen. Die abgetropften Erbsen in der heißen Butter anschwitzen und mit dem Erbsensud aufgießen. Gemüsebrühepulver nach Geschmack dazugeben und kurz aufkochen. Mit dem Pürierstab cremig verrühren und mit etwas Zucker (wichtig!) abschmecken.

„Sei dir endlich kostbar!“, diese Botschaft bringt Martina Goernemann ihren Leserinnen und Lesern auf wunderbare Weise nahe. Wie genau? Durch ungewöhnliche Erkenntnisse! Zum Beispiel ist es ratsam, von Zeit zu Zeit am Fußende des Bettes zu schlafen, Chaosküchen  zu vermeiden, weil sie dick machen, und Wutausbrüche besser durch Mutausbrüche zu ersetzen. Nützliche Tools für die Erkenntnisreise durch unser Zuhause werden mitgeliefert: Das Murmelmaß im Regal, das Schluss macht mit Aufschieberitis, die drei Wasserfl aschen  gegen Selbstzweifel und das eigene Kinderbild auf dem Schreibtisch, das uns auffordert, endlich nett zu uns zu sein. Dieses Buch ist eine Ladestation für die Seele und macht, ganz  nebenbei, unser Zuhause ein bisschen schöner.
 

Martina Goernemann

AB HEUTE BIN ICH NETT ZU MIR
WIE WOHNEN DABEI HILFT
Callwey Verlag, 29,95 EUR 


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